ZU DEN SKULPTUREN

Innerhalb der österreichischen Gegenwartskunst positioniert sich Herbert Egger als eine Künstlerpersönlichkeit, die ihren skulpturalen Ansatz in spezieller Weise auf den Materialaspekt ausrichtet und mit prozessorientierten Formablegungen verknüpft.

Relativ rasch erfolgte in seiner bisherigen künstlerischen Entwicklung der Zugriff auf Materialien, die sich einer kategorischen Zustandsgebundenheit mehr oder minder entziehen. Neben Wachs, mit dem er einfache objekthafte Kerne gleichsam überzog, gewann hierbei Schaumstoff immer größere Bedeutung. Parallel wurde von Herbert Egger auch die Arbeit mit Holz kontinuierlich fortgesetzt.

Grundsätzlich arbeitet Herbert Egger im Sinne des Definitionsmodelles Skulptur. Die plastische Form entsteht durch die Wegnahme von Material. Allerdings entfernt er dieses Material nicht unbedingt. Oftmals bleibt es mit der gewonnenen Form doch verbunden und ist somit auch integrativer Bestandteil des jeweiligen Kunstwerkes.

Dieses subtile Changieren zwischen Positiv- und Negativform, zwischen aktivem Gestalten und passivem Entstehen erfährt dort eine spezielle Steigerung, wo Egger gebrauchten und deshalb auch äußerlich verschmutzten Schaumstoff verwendet. Sobald er in den Kern eindringt und die Oberfläche durch Schneiden durchstößt, entwickelt sich wie "Phoenix aus der Asche" eine Sinnlichkeit der Reinheit und Unberührtheit.

Die Differenz der Form wird somit auch im Differenzsystem des Materials fortgesetzt und hieraus qualitativ gesteigert.

Viele im weitesten Sinne geometrisch orientierte Formen Eggers sind aus dem Ausgangsmaterial bzw. der ursprünglichen Form gleichsam herausgeklappt und können theoretisch wieder in die Geschlossenheit der Ausgangssituation zurückgeführt werden. Bei einigen Holzobjekten ist diese "Ausklappung" zum Prinzip gemacht und erlaubt folglich variable Präsentationsformen.

Teilweise wird die Herauslösung jedoch auch so weit geführt, dass sich durch aufwendigste Bearbeitungen die skulpturale Wirkung weitgehend verliert. Gelegentlich scheint Egger aus dem Schaumstoff feinste Fäden herausziehen zu können. Diese Konzepte definieren seinerseits auch ein völlig anderes Verhältnis zum Raum. Geschlossene Formüberlegungen werden zugunsten aktiv betriebener installationsmäßiger Prozesse im Raum aufgegeben. Gerade diese Prozesse erweisen sich dabei auch von besonderer temporärer Eigenschaft.

Insgesamt kann es als ein besonders spannendes Phänomen des bisherigen künstlerischen Werkes von Herbert Egger gewertet werden, dass er aus subtil gewählten Differenzbereichen skulpuraler Möglichkeiten ein enormes Potential an plastischer Präsenz seiner Objekte gewinnen konnte.

Univ.-Prof. Mag.Dr. Martin Hochleitner
Leiter der OÖ Landesgalerie

 



 

Skulptur kommt von Herausschneiden – zu den jüngsten Werkkonzepten von Herbert Egger

Wie nicht oft genug herausgestellt werden kann, ist Skulptur jene künstlerische Gattung, die im 20. Jahrhundert wohl die markantesten Änderungen ihres Selbstverständnisses erfahren hat. Die beiden anderen „klassischen“ Kunstdisziplinen Malerei und Architektur - vor allem letztere - haben in der Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Arbeitsfelder massiv in das traditionelle Selbstverständnis von Skulptur eingegriffen; durch die revolutionären Überlegungen von Marcel Duchamp – im speziellen seiner ready mades - wie auch durch die Entwicklung des Collageprinzips sind für die "klassische“ Bildhauerei völlig neue konzeptuelle Türen geöffnet worden - Türen, die weit über die im ursprünglichen Begriff "Skulptur" implizierte Tätigkeit des eine Form aus einem Material „Herausschneidens“ reichen. Das traditionelle Bild von Skulptur sieht den Bildhauer mit Hammer und Meißel am Stein eine über mehrere Skizzen erarbeitete Form herausarbeiten. Es erscheint fast überflüssig darauf hinzuweisen, dass diese klassische Bildhauerarbeit bei einer jüngeren Künstlergeneration  nicht mehr als Leitbild funktioniert. Das Kunstwollen dieser Generation ist vielmehr auf eine Installationsarbeit ausgerichtet, auf eine Auseinandersetzung mit der Körper-Raum Problemstellung über Objekte und deren soziale Zusammenhänge. Die unter dem Begriff "arte povera" zusammengefassten Bestrebungen der italienischen Kunst in den siebziger Jahren stehen hierfür fast paradigmatisch: Skulptur als klassische Körperkunst ist eine konzeptuelle Folie, vor der mit unterschiedlichsten Objekten und Installationen eine Diskussion über die sinnliche Erfahrung von Körpervolumen und dessen gesellschaftliche Bedeutungszuordnung geführt wird.

Wenn wir vor diesem Hintergrund die künstlerische Arbeit von Herbert Egger betrachten, so muss hier in erster Linie herausgestrichen werden, dass es dem Künstler gelingt, diese kurz skizzierten Anforderungen an eine aktuelle skulpturale Diskussion mit einer konsequenten "Basisarbeit" bzw. "Grundlagenforschung" für Skulptur zu verbinden.
Alle bisher präsentierten Arbeiten des Künstlers integrieren in intensivster Weise haptische Erfahrungsreize; sie zielen direkt auf den persönlichen Vorgang des Angreifen, des Berührens, Abtastens und "Be-greifens". In ihrer konsequenten Ausrichtung auf die gestalterischen Möglichkeiten des Einschneidens in vorhandenes Material lenken sie zudem die zentrale Aufmerksamkeit des Betrachters auf diesen skulptural wirksamen Vorgang. Speziell die Konzentration auf ein so prägnantes Spannungsverhältnis wie präziser, konstruktiver Schnitt auf der einen Seite und absolut flexibles Material Schaumgummi in Verbindung mit der Alltagsfunktion einer Matratze auf der anderen Seite bearbeitet in besonders intensiver Weise ein umfassendes Diskussionsfeld rund um die Frage des Selbstverständnisses von gegenwärtiger Skulptur.

Ein derartig konzentriertes künstlerisches Diskussionsfeld, wie es Herbert Egger in seinen Werkkonzepten vorstellt, kann nur in einer von absoluter Ruhe und Kontinuität geprägten Arbeitsatmosphäre aufgebaut werden. Herbert Egger hat seine Arbeitssituation unter diesen  Vorzeichen strukturiert; allerdings lässt die konsequente Teilnahme bei internationalen Bildhauersymposien die langjährige künstlerische Arbeit im eigenen Atelier in einen internationalen Diskurs treten.
Die spezielle eigenständige Kraft der Skulpturkörper von Herbert Egger zeigt sich gerade unter solchen Voraussetzungen des wechselndes Umgebungsraumes in besonders prägnanter Weise:

Die vom Künstler geschaffenen Körperformen öffnen sich gegenüber dem Umgebungsraum und bewahren - trotz bzw. gerade wegen - dieser Öffnung ihre absolut individuelle Eigenständigkeit. Wie selbstverständlich existieren diese neuen offenen und doch kompakt konzentrierten Körperformen in wechselndem Ambiente, wie selbstverständlich scheint ihre Form geschaffen worden zu sein - und sehr rasch ist man als Betrachter gleichsam dazu verführt, die harte Präzisionsarbeit, die hinter diesen Skulpturkonzepten steckt, zu übersehen. Genau hier wird aber auch die Qualität der Werke des Künstlers sichtbar.

Das spezielle Kunstwollen von Herbert Egger lässt sich allerdings nicht nur im Bereich skulpturaler Erfahrung festmachen, sondern auch in seiner konsequenten künstlerischen Arbeit auf Papier. In der Verbindung der Betrachtung dieser beiden Akzente seines Oeuvres zeigt sich die individuelle Schwerpunktsetzung auf die künstlerische Auseinandersetzung mit den gestalterischen Möglichkeiten des Schneidens in gleichsam verdoppelter Prägnanz: Linienkunst auf Papier wird von Herbert Egger ebenfalls als künstlerische Arbeit am Phänomen des Einschneidens im übertragenen Sinne behandelt; seine Liniensysteme "schneiden" gleichsam Körperformen aus der weißen Masse des Papieruntergrundes. Orientiert an geometrischen Grundformen bestimmen sie eine Art permanente zweidimensionale Annäherung an ein dreidimensional wirksames Körperphänomen, das sich wiederum erst durch die Öffnung zum Umgebungsraum in seiner individuellen Positionierung bestimmen kann.

Insgesamt gesehen präsentiert sich hier also ein künstlerisches Werk, dessen individuelle Position Ergebnis eines konsequenten Reifungsprozesses ist - ein Reifungsprozess der noch lange nicht in seinen Endpunktmarkierungen absehbar ist.

Mag. Dr. Peter Assmann
Direktor der OÖ Landesmuseen

 



 

Klaudio Stefancic (Zagreb)

 

Eine so typisch modernistische Annäherung an eine künstlerische Arbeit impliziert zwei meiner Meinung nach wesentliche Aspekte seiner Arbeit: Die physikalische Beschaffenheit der Skulptur und die Interaktion mit dem physischen Körper eines Betrachters.

Dass Herbert Eggers Skulpturen aus Schaumstoff entstehen, wirft ein völlig neues Licht auf die traditionellen modernen und postmodernen Themen. Die moderne Skulptur erzählt grundsätzlich eine Geschichte der Selbstreflektion ; diese Geschichte begann mit Rodin und dem Augenblick, da eine Skulptur nicht mehr den dominierenden sozialen Ideologien dienen musste, sondern sich ihrer Entstehung und ihrer Besonderheit zuwenden konnte.

 Herbert Egger zitiert eine Episode in der Geschichte der modernen Skulptur, in der die Probleme der materiellen Beschaffenheit, des Innen und Außen, von Umriss und Achsen die Aufmerksamkeit der Künstler und der Betrachter erforderten.

Auf den ersten Blick sind es nur Zitate; aber da die typischen hochmodernen Formen aus dem Haushaltsmaterial Schaumstoff gemacht sind, ändert sich die Aussage und impliziert höchst unterschiedliche Interpretationen von Eggers Arbeiten.

Mit der Verwendung von Schaumstoff zitiert er nicht nur, sondern korrigiert damit die Geschichte der modernen Bildhauerei, weicht durch eine ganz spezielle interaktive Komponente ihre Monumentalität auf. Eggers Schaumstoff-Skulpturen sind auch Korrektur oder gar Parodie der Collage, weil sie mobil sind, leicht zu komponieren und zu dekomponieren , um einen privaten oder öffentlichen Raum zu gestalten.

Das Material ist freundlich, zugängig, und lädt zum Betasten ein; Eggers Skulpturen sind übersichtlich, sie sind temporär.


Klaudio Stefancic